„Lieber Mensch, noch ist es nicht zu spät“

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Der Dalai Lama Foto: GettyImages
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Astrologe Erich Bauer beim Dalai Lama

Erich Bauer war beim Dalai Lama. Im Himalaya, in fast 4000 Meter Höhe, in einer Stadt am Rand des Himmels. Er hat uns das sanfte Lächeln des Friedensnobelpreisträgers mitgebracht, das in unser Leben hineinscheint. Das die große Botschaft des Dalai Lama übermittelt, die vor der Apokalypse, vor dem Untergang der Menschheit warnt. Und die von der Chance erzählt, die uns noch bleibt. Erich Bauer hat dieser Zug der tausend Friedenspilger zum Dalai Lama tief berührt. Wovon jedes Wort in seinem Text erzählt, mit dem wir unsere Serie über die drohende Apokalypse 2012 beginnen. An deren Anfang die Vision des Dalai Lama im Himalaya steht. Ein Blick in unsere Zukunft. Auf Kriege, die uns bedrohen, die Menschheit vernichten. Auf ein Licht der Hoffnung, das uns retten, das entzündet werden kann.

Meine Reise in den Himalaya und zum Dalai Lama. Himalaya! Das Dach der Welt! Dorthin zu kommen, war schon immer mein Traum. Jetzt, im Sommer 2009, sollte es so weit sein: Die Sonnenfinsternis am 22. Juli war zunächst mein großes Ziel. Dann hörte ich "durch Zufall" von einer Gruppe von sechs Männern und Frauen, die eine Jeep- und Motorrad-Tour an die Grenze zu Tibet planten. Dort nämlich sollte ein großes Power-Ritual des Dalai Lama am 10. Und 11. Juli stattfinden – an einem kleinen versteckten Ort, Kaza. Es liegt fast 4000 Meter hoch in einem der schönsten Täler des Himalayas. Ich arbeitete vier Wochen lang mehr oder weniger Tag und Nacht, um meine Verpflichtungen gegenüber der Astrowoche und Ihnen, den Lesern, zu bewerkstelligen.

Dann saß ich im Flieger. Landung in Delhi. Halsbrecherische Fahrt mit dem Taxi bis an den Rand des Himalaya. Dort erwartete mich meine Gruppe: Meine Reise auf das Dach der Welt konnte beginnen.

Der Himalaya ist eine der letzten Plätze der Welt, an denen die Götter noch unmittelbar spürbar sind. Ihr Zuhause sind die unzähligen Tempel, Gompas und Stupas, die wie Kronen ausgewählten, schwer zugänglichen Bergspitzen aufsitzen. Tritt man ein, nachdem man – atemlos wegen der enormen Höhe – den Weg zu ihnen geschafft hat, umfängt einen heilige Stille. Ich bin stundenlang in solchen Tempeln gehockt. Im blassen Licht uralte Buddha-Statuen. Mönche, die immer wieder die gleichen Worte murmeln: Om mani padme hum...! Diese 4 Worte sind nicht übersetzbar, weil sie die ganze Weisheit buddhistischer Lehre einschließen. Om mani padme hum...! Irgendwann wird das Licht heller. Es kommt nicht von außen. Es ist ein inneres Licht, das sich nach einer Weile in Liebe verwandelt. Ich bin gefangen. Am Ursprung. Angekommen.

Auch die gesamte Natur ist erfüllt von der göttlichen Anwesenheit, so, als könnten die hohen Berggipfel den Göttern eine Brücke zur Erde sein. Und so unendlich mächtig sie auch sind, diese ewig schneebedeckten Berge, so gewähren sie uns Menschen doch einen Zugang: Straßen, Wege, Pfade. Selbst die besten unter ihnen wären bei uns in Europa ganzjährig gesperrt. Unpassierbar. Zu gefährlich. Aber hier laufen mutige Füße flink über die Steine hinauf bis zum Gipfel. Besonders Mutige – dazu darf ich mich jetzt auch stolz rechnen – fahren auf den Straßen mit Jeeps oder Motorrädern.

Es muss meine skorpionische Anlage im Horoskop sein, die mich hierher brachte: Unbefestigte Wege an 1000 Meter senkrecht abfallenden Abgründen, reißende Flüsse, Brücken, die beim Befahren wild zu schaukeln beginnen. Manchmal mussten wir einen Tag warten, weil sich der Berg oben geschüttelt hatte und Felsen den Weg versperrten. Zweimal waren wir gezwungen, umzukehren und eine andere, noch riskantere Route zu wählen. Ich bin tausend Tode gestorben. Was mich durchhalten ließ, war ein uralter Spruch skorpionischer Weisheit. Er lautet: Was nicht stirbt, bevor es stirbt, das verdirbt, wenn es stirbt ... Also weiter. Nach ein paar Tagen breitet sich ein anderes Gefühl aus: statt Angst Vertrauen. Vertrauen in die Güte und Liebe der Berge. Dann verwandelt sich der steinige, gefährliche Weg am Abgrund in einen leuchtenden Pfad.

Wir erreichen Kaza rechtzeitig. Einige Tausend haben denselben Weg genommen. Meistens sind es Leute aus der Gegend. Auch viele Trekker sind da. Manchmal sind sie zwei bis drei Wochen über die Berge geklettert, um den Dalai Lama zu sehen.

Die Stadt ist im Fieber. Sie platzt. Der Himmel ist näher gerückt. Im Vergleich zur Schar der rot bekleiteten Mönche und Nonnen und den in ländlicher Tracht heraus geputzten Leuten aus den umliegenden Orten sind wir nur wenige Westler. Ein mächtiger, goldener Tempel thront über einfachen Steinhäusern – überragt von schneebedeckten Bergkuppen. Es ist eine Kulisse, wie sie passender nicht sein könnte. Dort sammeln sich alle, um auf seine Heiligkeit, den 14. Dalai Lama zu warten.

Ich bin kein Buddhist. Warum sollte ich meine Religion wechseln, wenn ich doch in sie hineingeboren wurde. Man kann ja auch sein Sternzeichen nicht einfach abstreifen. Außerdem sind Religionen ohnehin nicht meine Sache. Aber ein Treffen mit dem Dalai Lama im Himalaya, fast 4000 Meter hoch: das ist ein einmaliges Fest. Da entsteht Magie. Hier landen auch die Götter.

Als Westler bekomme ich einen speziellen Platz, bin Seiner Heiligkeit näher. Glücklich nehme ich sein Geschenk an. In meiner Tasche eine Liste mit tausend Namen von Astrowoche-Lesern – stellvertretend für Sie alle, meine lieben, sehr verehrten Leser. Sie waren also dabei. Sie alle!

Der Himmel ist blau. Kleine weiße Wolken ziehen von nirgendwo her nirgendwohin. Die Zeit bleibt stehen. Hier ist Jetzt. Seine Heiligkeit der 14. Dalai Lama spricht über Compassion, also Mitgefühl. Ich verstehe nicht alles, denn er spricht auf Hindi. Die Übersetzung über Kopfhörer stolpert über die mangelhafte Technik. Aber die Essenz ist unmissverständlich: Liebe den andern mehr als dich selbst. Auch Jesus von Nazareth sprach ähnlich: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!

Was für ein Gegensatz zu unserer egogeprägten westlichen Welt! Zählen bei uns nicht als höchste Tugenden ein starkes Ich, Ellenbogen, Durchsetzungskraft, Manpower, Erfolg, Können, Selbstbewusstsein, Wohlstand. Und da sitzt einer in seiner blutroten Kutte mit goldgelbem Versatz auf seinem Stuhl und preist das Mitgefühl an, so als wäre es allem anderen überlegen.

Geht einer, der diesen Weg einschlägt, nicht schnurstracks vor die Hunde? Der Dalai Lama spricht auch von der großen Krise. Die Welt steht am Abgrund. Aber er findet auch Worte, die Hoffung machen: Die Krise würde viele Menschen wachrütteln: Wir stehen am Scheideweg. Es ist noch nicht zu spät.

Am Ende seiner Ansprache verteilt der Dalai Lama an alle seinen Segen. Dann reist er, begleitet von einem langen Autokonvoi, ab. Über Kaza erhebt sich ein starker Wind, der an den tausend Wimpeln und Fahnen zerrt, die zu Ehren seiner Hoheit über alle Gebäude und selbst zwischen Bergspitzen aufgezogen worden waren. So als würden sie ihm zum Abschied winken.

Seltsam: Über dem goldenen Tempel, in dem der Dalai Lama noch vor kurzem zelebrierte, sammelt sich plötzlich ein gigantischer Wirbel, eine Art Windhose. Er reißt den Staub und Schmutz, den tausend Pilger hier hinterlassen hatten, mit sich in die Höhe hinauf bis zu umliegenden, schneebedeckten Bergspitzen. Mir kommt es vor, als würden sämtliche Götter und alle guten Geister, die hier zwei Tage mit dem Dalai Lama verbrachten, im Schatten des braunen Windes abreisen.

Mich fröstelt.

Vielleicht trägt der Wind die Botschaft des Dalai Lama in die ganze Welt.

Vielleicht wird sie gehört.