Therapie
Ihre Therapie von Erich Bauer
"Wer sich auf die Themen Schuld und Schuldgefühle näher einlassen möchte, muss bereit sein für ein ungewöhnliches Vorgehen. Denn Schuldgefühle treten in den allermeisten Fällen als solche gar nicht in Erscheinung. Man muss fast so etwas wie ein detektivisches Gespür entwickeln, oder sich wie ein Jäger auf der Spur nach einer "Beute" begeben. Auf dem Weg dorthin kann man sich auch nicht immer auf logische Regeln verlassen. Häufig ist es nämlich so, dass die eigentliche Schuld genau das Gegenteil davon ist, wie sie in Erscheinung tritt. Bekommt jemand zum Beispiel Angst, und das vielleicht schon morgens, gleich nach dem Aufwachen, wird jeder "normal denkende" Mensch danach trachten, sich zu beruhigen und die Ursache der Angst zu erforschen. In jedem Fall ist man dabei selbst eher ein Opfer, jemand, der verfolgt wird, dem man Böses will - auch wenn nur ein böses Schicksal die Ursache ist.
Begibt man sich aber auf eine Ursachenforschung zum darüber, ist es wichtig, aus der Rolle des Opfers oder des Verfolgten auszutreten und zum "Täter" zu werden. So ein Vorgehen ist natürlich nur dann möglich, wenn die Symptome der Angst nicht zu stark sind. Ansonsten braucht man jemanden, der einem beisteht, zum Beispiel ein Therapeut. Aber wenn es sich mehr um eine diffuse Angst handelt, sollte man durchaus versuchen, hinter ihr sein eigenes Wollen zu erkennen. Es ist zum Beispiel recht häufig der Fall, dass hinter einer Angst die Absicht steckt, jemand anderen zu bekämpfen, ja ihn niederzumachen. Aber weil man eben schon als Kind gelernt hat, dass so etwas "verboten" ist, hat man diesen Impuls verdrängt. Dass man sich jetzt, als Erwachsener, erlaubt, einmal in die andere Richtung zu denken, ist eine völlig neue Erfahrung. Wichtig ist dabei, sich selbst tabuierte Vorstellungen zu erlauben, auch einmal "furchtbar böse" zu sein. Es sind ja schlussendlich nur Gedanken und Fantasien, die nie und nimmer das Ziel haben, in die Tat umgesetzt zu werden.
Ich habe in vielen Therapien festgestellt, dass sich hinter Ängsten, Sorgen, Nöten und ähnlichen Gefühlszuständen tatsächlich häufig eine "böse" Absicht verbirgt. Gesteht man sich das einmal zu, kehrt sich das Erlebnis um. Man ist nicht mehr Opfer, sondern Täter. In vielen Fällen löst sich dann die ursprüngliche Angst oder was immer für Gefühle mit dem eigentlichen Geschehen verbunden waren auf. Man ist befreit."